Skin Picking Disorder: Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten

Fast jeder Mensch bearbeitet gelegentlich seine Haut. Bei der sogenannten Skin Picking Disorder hingegen verspüren Betroffene einen unkontrollierbaren Drang, ihre Haut kontinuierlich zu bearbeiten. Diese Impulskontrollstörung führt oft zu einem erheblichen Leidensdruck. Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für die Skin Picking Disorder?

Was ist die Skin Picking Disorder (Dermatillomanie)?

Viele Menschen drücken Pickel aus oder entfernen Hautunebenheiten – ein Verhalten, das besonders in der Pubertät, wenn Hautprobleme häufig sind, verbreitet ist. Bei der Skin Picking Disorder (medizinisch: Dermatillomanie) gehen Betroffene jedoch selbst bei gesunder Haut diesem Drang nach. Das Verhalten kann so ausgeprägt sein, dass sichtbare Hautschäden wie Narben oder offene Wunden entstehen. Hierbei handelt es sich nicht mehr um eine harmlose Angewohnheit, sondern um eine ernsthafte Erkrankung, die eine Störung der Impulskontrolle als Ursache haben kann oder dem Spektrum der sog. körperbezogenen Zwangsstörungen (body-focused repetive behavior (BFRBs) zuzuordnen sein kann. Manche Betroffene leiden auch an einer Selbstwertstörung, die sich als sog. körperdysmorphe Störung darin zeigt, dass die-/derjenige mit seinem Aussehen so unglücklich/unzufrieden ist, dass er selbst versucht, sein Aussehen durch Bearbeitung der Haut zu verbessern. Dem benachbart ist eine spezielle Form der Skin Picking Disorder: die Akne excoriée, die durch neurotische Selbstverletzung ausgelöst wird. Meist betrifft sie Frauen, die zwanghaft an ihrem Gesicht herumdrücken, oft ohne das Vorliegen schwerer Hautentzündungen. Schon kleinste Hautunreinheiten stören die Betroffenen, und sie versuchen, diese zwanghaft zu entfernen, um glatte Haut zu erreichen. Während solcher Episoden befinden sie sich häufig in einer Art Trance. Dieses Verhalten führt oft zu Krusten, Kratzspuren und Narben.

Studien schätzen, dass bis zu fünf Prozent der Menschen betroffen sein könnten, wobei Frauen etwas häufiger betroffen sind als Männer. Die Skin Picking Disorder ist eng mit Trichotillomanie verwandt, bei die Betroffenen sich zwanghaft ihre Haare ausreißen.

Symptome der Skin Picking Disorder

Die Skin Picking Disorder äußert sich durch folgende Merkmale:

  • Zwang, an der Haut zu knibbeln, Pickel auszudrücken oder Unebenheiten wie Schorf zu entfernen.
  • Bearbeiten von Muttermalen, Sommersprossen, Flecken oder Narben, um diese vermeintlich zu „glätten“.
  • Verursachen von Blutungen durch intensives Hautknibbeln.

Weitere Anzeichen sind:

  • Wiederholte, erfolglose Versuche, das Verhalten zu kontrollieren oder zu beenden.
  • Sichtbare Hautverletzungen als Folge.
  • Erhebliche seelische oder soziale Beeinträchtigungen als Folge sichtbarer Hautveränderungen. Dies äußert sich in Einschränkungen oder aufwändigem Vermeidungsverhalten, um zu verhindern, dass betroffene Hautpartien gesehen werden. Dazu zählen beispielsweise das Meiden von Schwimmbadbesuchen, das Tragen von leichter Kleidung oder das Auftragen eines aufwändigen Make-ups zur Abdeckung der Hautschäden. In extremen Fällen kann die Sorge, sich überhaupt zu zeigen, das tägliche Leben stark beeinflussen. Zusätzlich entstehen Beeinträchtigungen durch das Skin Picking selbst: Treffen mit Freunden werden abgesagt, weil der Drang, die Haut zu bearbeiten, größer ist und nicht ignoriert werden kann. Ein weiteres Beispiel ist, wenn sich jemand nach der Arbeit im Bad einschließt, um die Haut bis zum Schlafengehen zu bearbeiten, während das Skin Picking Priorität hat. Dadurch kann es zu einem Schlafdefizit kommen, was wiederum zu Folgeproblemen am nächsten Tag führt und im Extremfall zu einem Fernbleiben von der Arbeit, da der Druck, das Skin Picking auszuüben, übermächtig wird.
  • Aus Scham über die Unfähigkeit, das Verhalten zu kontrollieren, wird es oft verschwiegen.

Häufig geschieht das Zupfen unbewusst oder verstärkt sich in Stress- oder Angstsituationen.

Ursachen der Skin Picking Disorder

Die genauen Ursachen der Skin Picking Disorder sind bislang nicht vollständig erforscht. Es wird angenommen, dass verschiedene Faktoren zusammenwirken. Oft beginnt die Störung in der Pubertät. Auch können dermatologische Erkrankungen eine Rolle spielen: Nach dem Abklingen eines Hautleidens bearbeiten Betroffene ihre Haut weiterhin. Emotionale Faktoren wie Langeweile, Angst oder Stress können ebenfalls auslösend wirken, da das Hautknibbeln kurzfristig entspannend wirkt.

Ausmaße der Skin Picking Disorder

Betroffene wenden häufig erhebliche Gewalt bei der Hautbearbeitung an, indem sie quetschen, ziehen, drücken oder sogar kleine Hautstücke entfernen. Hierbei nutzen sie nicht nur Fingernägel oder Zähne, sondern auch Werkzeuge wie Nadeln, Scheren oder Pinzetten. Dies führt oft zu Blutungen und Entzündungen. Da die Wunden wiederholt bearbeitet werden, können sie über Wochen oder Monate nicht heilen. Besonders betroffen sind Finger, Hände, Arme, Gesicht und Kopfhaut.

Der Leidensdruck ist sowohl körperlich als auch psychisch hoch. Wiederholtes Aufreißen von Wunden kann Schmerzen, Entzündungen und bleibende Narben verursachen. Die Hautbearbeitung nimmt oft so viel Zeit in Anspruch, dass andere Aktivitäten vernachlässigt werden. Schuldgefühle, Reue und Scham begleiten das Verhalten häufig. Betroffene versuchen, die sichtbaren Spuren zu verbergen, was oft zu sozialer Isolation führt. Ihre Lebensqualität ist dadurch stark eingeschränkt.

Möglichkeiten, Skin Picking abzulegen

Es ist schwierig, dieses Verhalten allein zu überwinden. Selbsthilfestrategien wie Stressabbau und regelmäßige Entspannung können helfen, den Drang zu reduzieren. Für viele Betroffene ist es erleichternd, offen mit einer vertrauten Person über ihre Gefühle zu sprechen.

Wann psychologische Hilfe ratsam ist

Psychologische Hilfe sollte in Anspruch genommen werden, wenn der Leidensdruck groß ist oder das Verhalten schwerwiegende negative Auswirkungen hat. In solchen Fällen ist eine diagnostische Abklärung durch Ärztinnen oder Psychotherapeutinnen notwendig. Die Kosten für eine Therapie werden bei einer diagnostizierten psychischen Erkrankung von der Krankenkasse übernommen. Da Impulskontrollstörungen und Zwangsstörungen oft mit Schamgefühlen verbunden sind, zögern viele Betroffene, darüber zu sprechen. Einfühlsames Ansprechen durch Nahestehende kann helfen, erste Schritte zur Behandlung einzuleiten. Hausärztinnen können Betroffene beraten und an Psychotherapiepraxen überweisen. Eine geeignete Therapie kann die Symptome und den Leidensdruck deutlich mindern.

Therapieansätze bei der Skin Picking Disorder

Die Skin Picking Disorder tritt häufig gemeinsam mit anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen auf. Eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie, Psychopharmaka und Entspannungsverfahren hat sich oft bewährt. Beim Habit-Reversal-Training (Gewohnheitsumkehr) lernen Betroffene, schädliches Verhalten durch alternative Reaktionen, die den ursprünglichen Handlungsimpuls im Ansatz befriedigen, zu ersetzen. Ziel der Behandlung ist es auch, sog. Trigger für das Verhalten zu erkennen und zu reduzieren, zudem, z. B. bei zugrunde liegender Selbstwertproblematik oder anderen Konflikten, auch langfristig emotionale Stabilität zu erreichen. Dafür wird schulenübergreifend auch mit psychodynamischen und systemischen Behandlungsansätzen gearbeitet.

Weitere Informationen gibt es hier: https://www.kirinus.de/psorisol-klinik/behandlung/dermatopsychosomatik

 

Autorin

Andrea Eisenberg
Leitende Ärztin Dermatopsychosomatik, Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Fachärztin für Innere Medizin